Ein Feiertag ist immer gut. Und gerade in der Vorweihnachtszeit – schließlich wollen ja die Weihnachtsgeschenke auch gekauft werden, oder? Mariä Empfängnis ist in Österreich immerhin seit Jahren der umsatzstärkste Verkaufstag der Adventszeit. D.h. letztlich profitieren alle davon. Für gewöhnlich ist es aber auch nicht verkehrt zu wissen, was überhaupt der Anlass zum Feiern ist. Und wenn ein staatlicher Feiertag nicht mehr als ein beliebter Shopping-Tag ist, dann ist das eigentlich auch weniger feierlich, weil es zeigt, dass die Menschen nichts mehr zu feiern haben.
Worum geht es bei Mariä Empfängnis? Inhalt dieses Festes ist das Dogma der „Unbefleckten Empfängnis“ Mariens. Zugegeben – das macht es auch nicht besser. Also…
Man könnte denken, dass wir heute den Besuch des Engels bei Maria feiern, bei dem Maria ihre Zustimmung gegeben hat, die Mutter des Erlösers Jesus Christus zu werden. Danach empfing sie dann Jesus und wurde schwanger. Es ginge demnach um die „Empfängnis Jesu“, die im Leib Mariens stattgefunden hat. Dem ist aber nicht so. Am heutigen Fest geht es nicht unmittelbar darum, was im Leib Mariens geschehen ist, sondern darum, was in Maria´s Mutter, welche der Überlieferung nach Anna heißt, geschehen ist.
Empfängnis bezeichnet die Entstehung eines Menschenlebens. Diese besteht einerseits aus einer biologischen Komponente, der Gametenfusion (Verschmelzung von Samen und Eizelle). Zugleich zeichnet sich nach christlicher Überzeugung die Entstehung eines Menschen durch eine übernatürliche, d.h. die Biologie übersteigende Komponente aus, bei welcher Gott eine individuelle und unsterbliche Seele erschafft und diese mit der biologischen Substanz verbindet. Unmittelbar ab dem Zeitpunkt der Empfängnis ist jeder Embryo Mensch und Abbild Gottes. Deshalb dürfen Embryonen nicht für Forschungszwecke o.ä. verwendet werden. Wenn wir von der Empfängnis Mariens sprechen, ist die Entstehung Mariens gemeint.
Unbefleckt hat in diesem Zusammenhang weder etwas mit dreckiger Wäsche noch mit Leberflecken zu tun. Stattdessen bezeichnet es eine moralische Qualität, nämlich den Zustand der vollkommenen Sündenlosigkeit. Wenn wir das Fest der „Unbefleckten Empfängnis“ feiern, dann bejubeln wir die Erschaffung Mariens ohne Sünde.
Jein. Jeder Mensch entsteht als sündhafter Mensch. Die Sünde zerstört die Beziehung des Menschen zu Gott. Sie geschieht auf Initiative des Menschen, welcher sich bewusst und absichtlich von Gott abwendet. Ein Embryo kann das nicht. Deshalb kann er (noch) nicht selbst sündigen. Er ist daher ohne persönliche Sünde.
Allerdings leben wir Menschen nicht jeder für sich allein, sondern als Menschen gehören wir letztlich alle zusammen. Über unsere Eltern und diese über ihre Eltern usw. sind wir alle mit einem gemeinsame Ursprung – die Bibel nennt diesen „Adam“ – verbunden. Dieser Adam hat uns zu Beginn der Menschheitsgeschichte ordentlich Ärger eingehandelt, als er gegen Gott rebelliert hat. Auf diese Weise verlor er das Geschenk einer unbeschädigten und gesunden Beziehung zu Gott. Und da man nur vererben kann, was man auch besitzt, so konnte er seinen Kindern auch nur eine beschädigte Gottesbeziehung vererben. Weil diese erste Sünde Adams Folgen für alle seine Nachkommen bzw. Erben hat und gewissermaßen „vererbt“, wird sie Erbsünde genannt.
Jeder Embryo ist davon betroffen. Alle Menschen sind davon betroffen. Um diese Wunde zu heilen, d.h. den Menschen eine intakte Beziehung zu Gott zu ermöglichen und uns wieder in unser Erbe einzusetzen, das Adam gleichsam verspielt hat, ist Jesus in diese Welt gekommen. Er ist die Medizin sowohl für die Erbsünde als auch alle unsere Sünden.
Demnach waren, sind und werden alle Menschen durch die Sünde geschädigt sein, die auf diese Welt kommen – außer Maria.
Maria blieb von der Erbsünde verschont. Wie aber sollte das möglich sein, da diese doch alle Menschen, inklusive ihrer Eltern, betrifft? Jesus sagte einmal: „Für Menschen ist das unmöglich, aber für Gott aber ist alles möglich“ (Mt 19,26). Das trifft auch hierauf zu. Kein Mensch kann sich selbst erlösen, weder Chuck Norris noch Maria. Viel mehr wurde ihr von Gott dieses einmalige Geschenk gemacht.
Vielleicht ist folgendes Bild zur Veranschaulichung hilfreich: Wir Menschen sind durch die Sünde in eine tiefe Grube gefallen, aus der wir trotz aller Kraft nicht mit eigener Kraft entkommen können. Jesu Kreuz aber ist für uns die Leiter, die es uns möglich macht, der Grube zu entkommen. Maria, an und für sich ein Mensch wie wir, wurde dank Gottes Gnade davor bewahrt, in die Grube zu fallen. Das Kreuz Christi war für sie eine Brücke, mit welcher sie den Abgrund der Grube unbeschadet überqueren konnte.
Demnach hat Jesus auch Maria erlöst, nur wurde ihr die Kraft seiner Erlösung im Voraus zuteil, sodass sie gar nicht erst in Sünde gefallen ist. Den anderen Menschen wird die Gnade im Nachhinein zuteil, sodass sie von der Schuld befreit werden.
Bereits vor ihrer Erschaffung hatte Gott sie erwählt, dass sie die Mutter seines Sohnes werden sollte. Weil Gott und Sünde, bzw. Liebe und Lieblosigkeit unmöglich miteinander vereinbar sind, hat er Maria so geformt und vorbereitet, dass er in ihr Wohnung beziehen und Mensch werden konnte. Genauso wie das Allerheiligste im Tempel – der Ort der Gegenwart Gottes im Alten Bund schlechthin – komplett mit Gold bezogen war, so sollte auch Maria eine vollkommene Wohnung, ein Tempel, für den Gottessohn sein. Die Unbeflecktheit Mariens war demnach kein Selbstzweck, sondern war die Vorbereitung dafür, dass sie die Mutter des Erlösers werden konnte.
Als Christen feiern wir die zentralen Ereignisse der Heilsgeschichte, d.h. der Geschichte Gottes mit den Menschen. Diese Ereignisse können nicht isoliert betrachtet werden, sondern hängen miteinander zusammen. Ohne Menschwerdung kein Weihnachten, ohne Kar-Freitag kein Ostern, ohne Himmelfahrt kein Pfingsten. Und ohne Maria kein Jesus. Maria ist ein unersetzliches Glied in der langen Kette der Heilstaten Gottes. Von ihrem Ja zu Gott hing Alles ab, denn Gott respektiert die Freiheit des Menschen.
Maria ist der ganze Stolz des Menschengeschlechts. Seit Eva (Frau von Adam) und dem Unfall mit der Schlange ist sie die Einzige, für welche „nobody is perfect“ nicht zutrifft. Wie Eva die Mutter einer verwundeten Menschheit wurde, so wurde Maria die Mutter Christi. Durch Ihn wird allen, die zu Ihm gehören Gnade und Heilung zuteil. Somit ist sie die Mutter der „neuen Schöpfung“ (2 Kor 5,17). Maria ist die „neue Eva“, wie sie bereits christliche Theologen im 2. Jahrhundert nannten. So wie Eva wurde sie ohne Sünde geschaffen. Anders als Eva, reichte sie Adam (und somit seinen Nachkommen) nicht die Frucht des Verderbens, sondern brachte der Menschheit Christus, den Erlöser. Im 4. Jh. brachte es der heilige Hieronymus auf den Punkt: „Durch Eva kam der Tod, durch Maria das Leben.“
Es ist offensichtlich, dass die Unbefleckte Empfängnis Mariens nicht ihr Verdienst ist. Sie ist das genialste Geschöpf Gottes. Wenn wir am heutigen Fest Maria preisen, wie sie selbst es bereits vor über 2000 Jahren prophezeit hat (vgl. Lk 1,48), loben wir letztlich Gott, der sie so wunderbar geschaffen und bereits vor ihrer Geburt erwählt hat.
Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, ausführlich auf die biblische Grundlage einzugehen. Wer sich hierfür interessiert, dem empfehle ich wärmstens die Videos des amerikanischen Theologen Brant Pitre oder Pater Dr. Johannes Maria Schwarz, welche diese sehr anschaulich erklären.
Als kleiner Wink mit dem Zaunpfahl soll die Anrede des Engels an Maria genügen. Gabriel spricht Maria quasi mit dem einzigartigen Titel „Gnadenvolle“ an (vgl. Lk 1,28). Der griechische Originaltext verwendet hier das Wort „kecharitomene“, ein Partizip, dessen Stamm „charis“, d.h. übersetzt Gnade, bildet. Man kann es unterschiedlich übersetzen. Der Kirche erscheint die älteste Übersetzung des heiligen Hieronymus (Vulgata) mit „voll der Gnade“ sehr angemessen. Wo aber die Fülle der Gnade ist, da kann keine Sünde sein. Wo das Licht hinkommt, schwindet die Finsternis. Maria ist ohne Sünde – von Anfang an.
Natürlich ist es nicht verboten, an Mariä Empfängnis Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Dennoch gibt es bessere Möglichkeiten, dieses Fest zu begehen:
Da es zu den höchsten Festen im Kirchenjahr zählt, wäre es auf jeden Fall gut, in die Heilige Messe gehen und auf diese Weise Gott für dieses Geschenk Mariens danken – darum geht es letztlich in jeder Eucharistie-Feier (gr. eucharistia = Danksagung). Wenigstens an diesem Tag könnte man sich Zeit nehmen, um in Ruhe den Rosenkranz zu beten. Hier eine kurze Einführung um Appetit zu bekommen. Zu einem hohen Fest gehört nach katholischer Überzeugung ein Festessen! Mir gefällt das Gedicht von Hilaire Belloc, einem Freund von C. S. Lewis, sehr gut:
Wherever the Catholic sun doth shine, There’s always laughter and good red wine. Wherever the Catholic sun doth shine, There’s always laughter and good red wine. At least I’ve always found it so. Benedicamus Domino!” [ÜS: „Lasst uns den Herrn preisen“]
Autor: Frater Wilhelm Mauser, Novize im Stift Heiligenkreuz