Kaum ein Gebet gilt so als Inbegriff des Katholischen und ist als solches derart geliebt oder verhasst: der Rosenkranz. Im Rosenkranzmonat Oktober lohnt es sich, einmal genauer hinzuschauen, was in dieser Gebetsform alles drinsteckt.
In vielen Kirchen findet man Darstellungen, wie Maria dem hl. Dominikus (†1221) einen Rosenkranz überreicht, und tatsächlich hat sein „Orden der Predigerbrüder“ (Dominikaner) eine große Rolle bei der Verbreitung des Rosenkranzes gespielt. Allerdings dürfte der Rosenkranz „älter“ und zugleich „jünger“ sein als das 13. Jahrhundert. Wie das?!
Gebetsschnüre gibt es schon mindestens seit der Zeit der Wüstenväter. Diese Einsiedler in den ägyptischen Wüsten, die in den ersten Jahrhunderten des Christentums lebten, nutzten diese Schnüre mit Knoten, um sich auf das Jesusgebet (die Wiederholung des Gebets „Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner!“) konzentrieren zu können und mitzuzählen. In den Klöstern nutzten später Analphabeten die Gebetsschnüre, um statt der 150 Psalmen, die die Mönche beteten, 150 Vaterunser oder „Gegrüßet seist Du, Maria“ zu beten. Gebetsketten sind also älter als die Legende um den hl. Dominikus.
Als eigentlicher Erfinder unseres Rosenkranzes gilt aber der Kartäuser Dominikus von Preußen (†1460), der eine Gebetskette mit 50 Perlen, bei denen man das „Gegrüßet seist Du, Maria“ betete, entwickelte, wobei man das Leben Jesu meditierte. Nach und nach entwickelten sich dann verschiedene „Geheimnisse“ aus dem Leben Jesu, die man jeweils zehn Perlen lang meditierte. Unser Rosenkranz ist also jünger als die Legende über den hl. Dominikus.
Der Rosenkranz besteht aus den Grundgebeten unseres Glaubensbekenntnisses, des Vatersunsers, „Gegrüßet seist Du, Maria“ und dem „Ehre sei dem Vater“. An welcher Perle man was betet, findet man (mit Bild) hier gut erklärt.
Der Rosenkranz soll aber nicht dazu dienen, ein bestimmtes Gebetspensum „abzuleisten“! Die Gebete sind vielmehr eine Hilfe, dass unsere Gedanken nicht ständig „abdriften“, sondern um Jesus „kreisen“: Immerhin ist ja die Mitte von jedem „Gegrüßet seist Du, Maria“ ganz eindeutig „Jesus“! Und weil wir bestimmte „Geheimnisse“ aus Jesu Leben sozusagen „mit Maria“ meditieren wollen, fügt man jeweils ein Ereignis aus Seinem Leben ein, z.B.: „…Jesus, der von den Toten auferstanden ist. Heilige Maria,…“ (1. Glorreiches Geheimnis). Hier versucht man z.B., sich vorzustellen, wie Maria und die Apostel am frühen Ostermorgen zum leeren Grab kommen, wie sie sich fühlen, was sie denken, was sie zueinander sagen – wie Jesus ihnen dann erscheint, zu ihnen spricht, …
Durch den Rosenkranz bleiben wir somit länger bei einzelnen Ereignissen aus dem Leben Jesu stehen, die wir sonst vielleicht (zu) schnell übergehen. Weil Gott uns oft besonders im Gebet seine spürbare Nähe schenkt, kommt es manchmal vor, dass wir durch den Rosenkranz auf einmal bestimmte Ereignisse und Erzählungen aus den Evangelien besser verstehen. Aber auch, wenn scheinbar nichts passiert, wirkt Gott sicher im Verborgenen. Immer, wenn wir beten, richten wir uns ja auf Gott aus und öffnen uns für Ihn! Gerade in solchen „Trockenphasen“ im Gebet hilft uns der Rosenkranz, treu zu bleiben in der Ausrichtung auf Gott und Ihm von unserer Zeit zu schenken, wenn uns keine eigenen Worte über die Lippen kommen wollen.
Wie oben schon angeklungen ist, soll der Rosenkranz eigentlich ein meditatives, ruhiges Gebet sein, wo man am besten auch an einem stillen Ort ruhig sitzt oder kniet. In manchen Gemeinden wird er daher gemeinsam gebetet, da er sich mit seinen ruhigen, rhythmischen Wiederholungen sehr gut dafür eignet. Allerdings bezeichnen manche den Rosenkranz nicht umsonst als „römisch-katholisches Jesusgebet“: Dieses wird eigentlich ständig im „Hintergrund“ bzw. „Hinterkopf“ gebetet. So beten manche den Rosenkranz, wenn sie unterwegs sind oder irgendwo warten, oder auch als „Gebet für Zwischendurch“.
Man braucht ja nicht immer alle Geheimnisse (oder „Gesätze“) hintereinander zu beten. Gerade am Anfang empfiehlt es sich sehr, über ein einzelnes Geheimnis nachzudenken – und sich so auch immer wieder zwischendurch bewusst in die Gegenwart Gottes zu begeben. Die 20 „offiziellen“ Geheimnisse des Rosenkranzes (je fünf „Freudenreiche“, „Lichtreiche“, „Schmerzhafte“ und „Glorreiche“) lassen sich natürlich auch ergänzen. Die Evangelien bieten eine Menge von Taten und Worten Jesu, die es zu meditieren sich lohnt. Weit verbreitet ist auch der sog. „Barmherzigkeitsrosenkranz“, der auf die hl. Sr. Faustina zurückgeht. Dabei wird, wie der Name andeutet, besonders die Barmherzigkeit Gottes, die sich vor allem in der Passion Jesu offenbart hat, angerufen.
Der Rosenkranz ist wirklich ein sehr vielfältiges Gebet, das (neu) zu entdecken sich lohnt!
Autor: Frater Dominicus M. Armbruster OP, Dominikaner, studiert Theologie an der Universität Wien