Vielen unbekannt, aber mit einem wirklich außergewöhnlichen Ereignis verbunden, ist das Rosenkranzfest. Katholiken feiern es jedes Jahr am 07. Oktober bzw. am darauffolgenden Sonntag. Wahrscheinlich gibt es selten einen Anlass zum Feiern, der so politisch inkorrekt ist, wie dieser. Hier soll der spannende Hintergrund dieses denkwürdigen Festes kurz erzählt werden.
Wir schreiben das Jahr 1571. Während in Amerika schier unendlich viel neues Land gesichtet wurde, dass es zu besiedeln galt, erlebte Europa eine seiner schwersten Krisen: die Reformation bzw. Kirchenspaltung. Hatte noch im Mittelalter die Religion als verbindendendes Element gedient, etwas, was die sonst so kriegsfreudigen Reiche und Fürstentümer miteinander verbunden hat, so wurde sie jetzt zum Anlass für Streit, Spaltung und Krieg. Ausgelöst wurde das Schisma (Kirchenspaltung) im Wesentlichen durch einen Augustiner-Eremiten, einen katholischen Mönch und Priester, mit dem Namen Martin Luther. Mit dem Papst wollten viele Länder fortan am besten nichts mehr zu tun haben.
Dies hätte beinahe den Untergang des Abendlandes bedeutet. Während nämlich Europa zerteilt und mit sich selbst beschäftigt war, braute sich von Osten her ein dunkler Sturm zusammen. Ich meine keinen echten Sturm mit Blitz und Donner, nein hier ist von der Türken-Gefahr die Rede. Das Osmanische Reich, also ein Vorgänger der heutigen Türkei, war drauf und dran, den Streit innerhalb Europas auszunutzen und das christliche Abendland zu erobern. Dafür hatten sie unter dem Anführer Selim II. eine riesige Flotte zusammengestellt und planten die Invasion Roms. Die Reaktion des Westens
In dieser Zeit rief der später heiliggesprochene Papst Pius V. alle christlichen Nationen auf, sich zu einer Heiligen Liga zusammenzuschließen und gemeinsam das Abendland gegen das Osmanische Reich und somit gegen den Islam zu verteidigen. Doch zunächst stieß der Ruf Pius V. auf taube Ohren. Es bestand kein wirkliches Interesse daran, Rom gegen den Islam zu unterstützen. Einerseits war man selbst noch nicht unmittelbar betroffen. Den Papst konnte man sowieso nicht mehr leiden. Lediglich Venedig und Spanien entschieden sich dazu, Schiffe und Truppen zu schicken.
Die Truppen anführen sollte Johann von Österreich, auch Don Juan de Austria genannt. Nicht nur, weil er ein talentierter Tänzer und noch dazu ein guter Feldherr war, wurde er mit dieser Mission beauftragt, sondern weil er ein frommer Katholik war, der mit ritterlicher Liebe die Königin des Himmels, Maria verehrte. Einige Historiker bezeichneten ihn als „letzten wahren Ritter Europas“. Noch bevor die Schiffe abfuhren, ordnete er an, dass alle Soldaten drei Tage fasten müssen. Nicht eine einzige Frau durfte die Schiffe betreten, damit keiner der Krieger auf dumme Gedanken kommen konnte. Außerdem verteilte er an jeden Soldaten einen Rosenkranz und stellte sicher, dass auf jedem Schiff Priester waren, um die Beichte zu hören. Die Schiffe stachen in See.
Während die beiden Flotten sich einander näherten, war Papst Pius nicht untätig. Er sammelte mit großem Eifer ein Heer von Rosenkranzbetern, welche auf geistliche Weise die christliche Flotte unterstützten. An vielen Orten Italiens und Spaniens beteten jetzt zahlreiche Menschen inbrünstig den Rosenkranz für die Rettung des Abendlandes aus seiner schier aussichtslosen Lage.
Endlich war der Tag gekommen, der 7. Oktober, an dem die Schlacht stattfinden musste. An jenem Tag wurde auf jedem Schiff der christlichen Flotte die Heilige Messe gefeiert. Don Juan rief den Männern zu: „Ihr seid gekommen, um den Kampf des Kreuzes zu kämpfen – um zu siegen oder zu sterben. Doch ob wir siegen oder sterben, tun wir heute unsere Pflicht und eine glorreiche Ewigkeit ist uns sicher!“ Beide Seemächte begegneten sich erstmals in der langen Bucht bei Lepanto, heute Naupaktos in Griechenland. Sie formten ihre Schlachtlinien: die Christliche Flotte in Form eines Kreuzes, die Muslimische in Halbmond-Formation. Als eine Trompete geblasen wurde, knieten alle christlichen Truppen nieder vor einem Kreuz, das auf jedem Schiff angebracht war. Die Schlacht hatte begonnen.
Zu Beginn sah es für die christliche Armada jedoch alles andere als gut aus, denn dichter Nebel zog auf, sodass sich die beiden Flotten nicht mehr sehen konnten. Das wäre aber noch nicht so schlimm, wenn dem christlichen Heer nicht ein starker Gegenwind entgegengeblasen hätte. Dies führte dazu, dass die muslimische Armada, mit großem Selbstvertrauen auf das christliche Heer zusteuerte, zuversichtlich einen großen Sieg zu erringen. Schließlich hatten sie nicht nur ein deutlich größeres Heer. Sie verfügten über 300 Schiffe und 100.000 Mann, bereits kampferfahren und gut trainiert. Die christliche Flotte hingegen bestand nur aus 70.000 zum Teil dürftig ausgebildeten Soldaten und 285 Schiffen. Ob und inwiefern die Armada der Heiligen Liga unterlegen war, wird in der geschichtlichen Forschung allerdings kontrovers diskutiert. Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass die osmanische Seeflotte damals als unbesiegbar galt.
Bevor sich die Schiffsreihen begegnen konnten, drehte der Wind plötzlich schlagartig und unterstützte nun das christliche Heer und verschaffte ihnen einen Vorteil. Die beiden Mächte trafen aufeinander und es kam zu einem erbitterten Gemetzel. Fünf Stunden kämpften beide Heere miteinander. Ein entscheidender Moment kam, als eine Musketenkugel Ali Pascha, der Anführer der osmanischen Flotte, tötete. Sein Kopf wurde abgeschnitten und auf eine Lanze gesteckt, sodass er weithin gesehen werden konnte.
Daraufhin erlahmte der Kampfeswille der Türken und sie ergriffen die Flucht. Der entscheidende Sieg für die Heilige Liga war errungen. Sie konnte 120 feindliche Galeeren erbeuten, 60 weitere versenken. 30 Weitere versenkten die Osmanen selbst, damit sie nicht den Christen in die Hände fielen. Die Flotte der Heiligen Liga hingegen verlor nur 12 Schiffe. Niemals zuvor und niemals danach sind an einem einzigen Tag in einer Seeschlacht so viele Männer gefallen, wie in der Schlacht von Lepanto. Nach diesem Sieg war für lange Zeit die Bedrohung über See durch die Osmanen abgewendet.
Es ist zuverlässig bezeugt, dass Papst Pius V. am 7. Oktober in einer Vision den Sieg der christlichen Flotte gesehen hatte. Inmitten seiner Tätigkeiten im Vatikan war er aufgesprungen und soll mit strahlendem Gesicht gerufen haben: „Sieg, Sieg.“ Zwei Wochen später traf der Kurier von Venedig ein, welcher die freudige Botschaft bestätigte. Papst Pius V. war fest davon überzeugt, dass der Sieg Europas ein Sieg des Rosenkranzes war. Aber nicht nur er: In Venedig ordnete der Senat die Errichtung einer Kapelle an, welche unserer lieben Frau vom Rosenkranz geweiht war. Dort war an den Wänden folgende Inschrift angebracht: „Weder Heldenmut noch Waffengewalt noch Streitkräfte, sondern unsere Frau vom Rosenkranz schenkte uns den Sieg.“
1572, d.h. ein Jahr nach dem Sieg in der Schlacht von Lepanto, führte Pius V. das Fest „Unsere liebe Frau vom Sieg“ ein. Daraus entwickelte sich im Laufe der Zeit der Rosenkranz-Sonntag bzw. das Rosenkranzfest, das wir heute noch feiern. Aus Gründen der Political Correctness sei zum Schluss darauf hingewiesen, dass es sich beim Kampf gegen die Osmanen um einen Akt der Notwehr handelte. Gewalt im Namen der Religion ist zu verurteilen und keine gängige christliche Praxis.
Wer mehr über die spannende und weltverändernde Geschichte des Rosenkranzes erfahren möchte, dem kann ich das Buch „Champions of the Rosary“ von Fr. Donald Calloway wärmstens empfehlen. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn persönlich lobte das Buch als „extremly insightful, pious and scholarly work“.
Bild: Paolo Veronese, Public domain, via Wikimedia Commons
Autor: Frater Wilhelm Mauser, Novize in Stift Heiligenkreuz